Donnerstag, 11. Februar 2016

Derby-Sieger

Jetzt ist es passiert. In der aktuellen Ausgabe einer Fachzeitschrift für alte Autos finde ich einen lobenden Artikel über ihn: Den Volkswagen Derby der zweiten Serie, den meine damalige Freundin zum 18. Geburtstag bekommen hatte. Ihre Eltern hatten es gut gemeint und der Fahranfängerin in mühevoller Kleinarbeit ein leicht verunfalltes Exemplar dieses Rentertransporters wieder aufgebaut. Mit braunem Metallic-Lack. Mit braunen Sitzen. Mit ohne Glamour.

Auch in hellgrün hässlich: Der Derby.
Das war Ende der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Wir spotteten natürlich über das fäkalfarbene Anti-Spaßmobil mit seinem dürren Schaltstock (damals war das wirklich noch ein Stock!), seinem Innendesign im Stile einer billigen Schneider-Stereoanlage und dem seltsam hoch angeklebten Stufenheck, das aus dem knackigen Polo einen Traumwagen für Herrn Stubenrauch machte. Herr Stubenrauch war der lodenbehütete Hausmeister meiner Zivildiensteinrichtung, gefürchtet wegen seiner autoritären Art und seiner Mitgliedschaft in einem Kleingartenverein. Da hatten wir's: Kleingarten plus Kleinwagen gleich uncool hoch drei!

Und das soll jetzt alles auf einmal nicht mehr gelten? Besagte automobile Fachzeitschrift reiht den Derby nämlich ein in eine motorisierte Ahnenreihe, in der Ikonen wie Golf GTi oder Ford Granada ganz selbstverständlich vertreten sind. Und womit? Mit Recht. Weil sie kein Derby sind. 
 
Nur cool mit ATS-Felge: DAS war ein Auto, Herrschaften!
Gut, ich gebe zu, ich hatte auch meinen Derby-Moment. Damals, als mein Kadett C mit den schwarzen Rallyestreifen mal wieder, nun, sagen wir: unpässlich war. Er lief halt nicht. Ich musste jedoch dringend in eine rund 30 Kilometer entfernte Stadt und lieh mir zähneknirschend den braunen Derby meiner Freundin, auf dessen Beifahrersitz ich mich sonst nur mit hochgeschlagenem Mantelkragen und verspiegelter Sonnenbrille duckte. Sie gab mir gönnerhaft die Schlüssel und ich startete den Rasenmähermotor mit seinen bärigen 40 PS. Nie hat es eine unpassendere Kombination gegeben: Ein rauchender Typ mit "Youth of Today"-Shirt am Steuer dieses Vorstadt-Blumenkastens, und aus dem asthmatischen Cassettengerät dröhnt wild übersteuernd Ian Astbury über Andy Warhols Muse "Edie".
Ich hätte es damals natürlich nie zugegeben, aber der Derby fuhr sich, ähem, passabel. Er war eben ein Volkswagen - solide, unauffällig und störungsarm. Aber auch so aufregend wie der Vereinsabend der Kleingärtner. Deshalb erübrigte sich jede Diskussion: Dieses Auto würde nie auch nur in die Nähe des Begriffs 'cool' gelangen. Und genau das sagte ich meiner Freundin, als ich ihr die Schlüssel zurückgab.

2016 feiert man den Spießer-VW als standesgemäßen Oldtimer mit großem Fan-Potential. Herr Stubenrauch hat gesiegt. Mein Kadett ist längst verrostet und ich habe gute Freunde, die einen Kleingarten besitzen.
Aber deshalb kommt mir noch lange kein Derby in die Garage!

In der nächsten Folge: Warum auch der doppelt so große Bruder des Derby - der doppelt so öde VW Jetta - auf einmal hot sein soll...

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