Dienstag, 18. Januar 2011

Der dunkle Grenzbezirk (2)


"Ey, Du kannst mich mal!" -"Sei nicht so frech - und um halb sieben bist Du wieder zuhause!" - "Aber Chantal darf auch bis sieben!!!" - "Frollein, Punkt halb sieben!!!" - Zwei Stimmen wie ein Säurebad, mein VU-Meter im Innenohr ist bis zum Anschlag im roten Bereich. 

Schräg gegenüber wohnt das akustische Grauen. 

Pubertierende können anstrengend sein, ohne Frage, doch hier geht es a) um einen besonders hartnäckigen Fall einer pickeligen Rotzgöre und b) um die Tatsache, dass dieser Eltern-Kind-Konflikt generell auf der offenen Straße ausgetragen wird. Täglich ab 13 Uhr 45, dann kommt das eine Grauen aus der Schule. Das andere Grauen wartet bereits vor der Tür oder hinter dem halb geöffneten Fenster im Hochparterre. Und dann kommt es immer, IMMER, zu scheppernden und latent aggressiven Dialogen.

Ich habe auch bereits erlebt, wie sich das ältere Grauen mit einem liebeskranken männlichen Begleiter des jüngeren Grauens anlegte - der junge Mann hatte keine Schnitte und wagte es erst aus einem sicheren Abstand heraus, mit den heute handelsüblichen Schmähungen unter Nennung weiblicher Geschlechtsteile und der Unterstellung abartiger Sexualpraktiken auf mütterlicher Seite zu widersprechen. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.

Nahezu harmlos dagegen ist der Lange. Ein Baum von einem Mann, mindestens 2 Meter 10 groß und mit einer wilden Haarpracht auf dem Kopf, die in Karnevalszeiten locker als Afroperücke durchgehen würde. Der Lange trägt stets Hosen, die zu kurz sind. Und immer weiße Socken. Ich glaube nicht, dass die Hochwasser-Jeans ihn stören oder er keine in seiner Größe bekommt, denn als wolle er die Wahl seiner Socken noch herausstellen, krempelt er die Jeans auch noch zusätzlich um. Ansonsten ist er ein angenehmer Zeitgenosse, in diesem Panoptikum des Absonderlichen fällt er zumindest akustisch niemals negativ auf.

Und das ist immer noch nicht alles. Hier wohnen noch ein ganze Menge Leute.


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